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Unbedenklichkeitsbescheinigungen „light“ der GKV können die Durchführung von Vergabeverfahren erleichtern – BMWI sieht keinen Grund zum Ausschluss von Bietern
24.04.2020: Bescheinigungen bereiten in Corona-Zeiten gewisse Schwierigkeiten: Öffentliche Auftraggeber verlangen oftmals Unbedenklichkeitsbescheinigungen der gesetzlichen Krankenkassenversicherungen (GKV) von den Unternehmen, dass sie nicht mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rückstand sind. Diese Bescheinigungen können die Krankenkassen dann nicht ausstellen, wenn das Unternehmen aufgrund der Ausnahmesituation durch Corona, die Sozialversicherungsbeiträge hat stunden lassen. Im dazu verfassten Rundschreiben der GKV vom 1.4.2020 wird als ein möglicher Lösungsweg vorgeschlagen, dass die GKV dann stattdessen eine eingeschränkte Bescheinigung ausstellen:
„Die Beiträge zur Sozialversicherung wurden bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland im März 2020 regelmäßig und pünktlich zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen gezahlt.“
Grundsätzlich bleibt die GKV zwar bei der Einschätzung, dass im Falle eingeräumter Beitragsstundungen die Voraussetzungen für die Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigungen bei den betroffenen Arbeitgebern nicht vorliegen. Im Interesse der betroffenen Arbeitgeber empfiehlt der GKV-Verband aber dennoch seinen Mitgliedskassen, wenn keine weiteren Gründe gegen die Ausstellung einer Bescheinigung sprechen, das Dokument auszustellen.
Letztlich liegt es im Ermessen des Auftraggebers, wie hoch er die Latte mit seinen Anforderungen legt.In Betracht kommen befristet für die Dauer der Corona-Krise verschiedene Lösungsansätze:
- Der öffentlichen Auftraggeber verzichtet auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung.
- Der öffentliche Auftraggeber akzeptiert eine eingeschränkte Bescheinigungen als ausreichend.
- Der öffentliche Auftraggeber verzichtet auf die zahlreichen Unternehmen, die die Bescheinigung nicht vorlegen können.
Das BMWI sieht den bestehenden Rechtsrahmen als ausreichend an, um als Auftraggeber angemessen auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Vergabeverfahren reagieren zu können, ohne dass es zum Ausschluss eines Bieters kommen muss, der die Ausstellung bestimmter Bescheinigungen zum Nachweis seiner Eignung derzeit im Rahmen des Zumutbaren dennoch nicht bewirken kann.
Den öffentlichen Auftraggebern steht es im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich frei, welche Nachweise sie von Unternehmen als Beleg für ihre Eignung und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen fordern (§ 48 VgV). Eine allgemeine vergaberechtliche Pflicht zur Vorlage entsprechender Unbedenklichkeitsbescheinigungen besteht nicht, auch wenn sie in der Praxis als Nachweis für ein Nichtvorliegen des Ausschlussgrundes nach § 123 Abs. 4 S. 1 GWB wegen Nichtzahlung Beiträgen zur Sozialversicherung gefordert werden.
Unabhängig davon kommt das BMWi zu der Einschätzung, dass bei einer Corona-bedingten Stundung der Krankenkassenbeiträge ein zwingender Ausschluss nach dem hier maßgeblichen § 123 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 GWB grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Eine Verletzung der Zahlungsverpflichtung liegt damit nicht vor. Die Vorschrift setzt tatbestandlich die Nichtzahlung des Beitrags trotz Fälligkeit voraus. Schließen das betroffene Unternehmen und der Krankenversicherungsträger eine Vereinbarung zur Stundung der Beiträge, wird die Fälligkeit der Beiträge aufgeschoben und das betroffene Unternehmen gerät nicht in Verzug. Selbst wenn die Stundungsvereinbarung erst nach Eintritt der Fälligkeit erfolgt, könnte je nach Lage des Falles ein Ausschluss ungerechtfertigt sein, wenn sich das Unternehmen trotz Säumigkeit zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Zinsen, Säumnis- und Strafzuschlägen verpflichtet hat. Für atypische Fallkonstellationen besteht außerdem das Korrektiv, bei offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit von einem Ausschluss abzusehen (§ 123 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GWB). Ausweislich der zugrundeliegenden Vorschrift der Vergabe-RL (Art. 57 Abs. 2, Abs. 3 RL 2014/24/EU) könnten besondere „Corona-bedingte“ Umstände durchaus das Absehen von einem zwingenden Ausschluss rechtfertigen.
Davon zu trennen ist die Frage, ob ein zwingender Ausschlussgrund wegen unvollständiger Unterlagen gem. § 57 VgV vorliegt, wenn der Auftraggeber die vom GKV-Verband empfohlene Musterbescheinigung verlangt hat. Nach Auffassung des BMWi dürfte jedoch regelmäßig kein zwingender Ausschlussgrund vorliegen. Das betroffene Unternehmen hat insoweit alles ihm Zumutbare unternommen und ist seiner gem. § 53 Abs. 7 VgV bestehenden Pflicht zur Vorlage aller geforderten Angaben formal nachgekommen.
Fazit: Der Auftraggeber hat es in der Hand, dass Verfahren aufgrund seiner Eignungsanforderungen nicht zu Lasten des Wettbewerbs gehen.
Quelle: Hildegard Reppelmund, DIHK, Referatsleiterin Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Vergaberecht, Wirtschaftsstrafrecht; BMWI