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Freiberufliche Leistungen unterhalb des EU-Schwellenwerts

25.03.2025: Die UVgO enthält in § 50 eine Sonderregelung für die Vergabe freiberuflicher Leistungen. Es stellt sich dabei die Frage, was freiberufliche Leistungen sind bzw. wer Freiberufler ist?

Grundlage bildet § 18 EStG (Einkommenssteuergesetz)

  • Selbstständig Tätige Angehörige
  • Selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit
  • Selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnliche Berufe

Was sind „ähnliche“ Berufe?

Freiberufliche Leistungen haben im Allgemeinen, auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung, die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art zum Inhalt.

Beispiele aus der Praxis:

Durchführung von Veranstaltungen – Freiberuflichkeit verneint:
Die Durchführung von Veranstaltungen umfasst eine Vielzahl von Dienstleistungen, die von der Miete des Veranstaltungsortes bis hin zu einem Full-Service-Konzept inklusive Catering und Veranstaltungsorganisation reichen können. Diese Dienstleistungen sind in der Regel nicht durch die Merkmale gekennzeichnet, die für freiberufliche Tätigkeiten typisch sind, auch wenn bei der Durchführung von Veranstaltungen intellektuelle Fähigkeiten und organisatorisches Geschick erforderlich sind.

Erstellung von Broschüren – Freiberuflichkeit verneint:
Die Erstellung von Broschüren ist eine Dienstleistung, die mit der Verarbeitung von Waren, wie Papier, verbunden ist. Daher wird die Erstellung von Broschüren als eine Dienstleistung betrachtet, die nicht die typischen Merkmale einer freiberuflichen Tätigkeit aufweist.

Die eigenständige Erstellung eines Layouts für Broschüren kann jedoch als freiberufliche Leistung angesehen werden, wenn sie im Rahmen einer selbständigen künstlerischen oder gestalterischen Tätigkeit erfolgt.

Erstellung einer Homepage oder Internetdesign – Freiberuflichkeit bejaht:
Im Kontext der Erstellung von Websites oder Internetdesigns kann die Tätigkeit als freiberuflich eingestuft werden, wenn sie konzeptionelle oder kreative Lösungen beinhaltet, die durch kreative Leistungen des Auftragnehmers auszufüllen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistung nicht eindeutig und erschöpfend im Vorhinein beschrieben werden kann und somit eine geistig-schöpferische Tätigkeit darstellt. Allerdings ist die Einordnung als freiberufliche Leistung auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig. Wenn die Erstellung der Website überwiegend technische oder handwerkliche Aspekte umfasst, könnte sie eher als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht wird oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten wird.

Freiberuflichkeit wird außerdem bejaht:

  • Auch wenn sie sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient
  • Freiberufler können auch gewerbesteuerpflichtig sein

    - Gewerbliche Nebentätigkeiten
    - Kapitalgesellschaften z.B. GmbH

Ob § 50 UVgO einschlägig ist, hängt vom Charakter der zu vergebenden Leistung, nicht von der steuerrechtlichen Einordnung der konkreten Leistungserbringer ab.

§ 50 UVgO kommt erst dann nicht mehr zur Anwendung, wenn die zu beschaffende Leistung im Markt ausschließlich von Gewerbetreibenden erbracht oder angeboten wird.

Was steht im § 50 UVgO?
Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, sind grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist.

A. Grundsätzlich im Wettbewerb

  • Sonderstellung freiberuflicher Leistungen – keine Bindung an die übrigen §§ der UVgO, keine verpflichtende Anwendung der Verfahrensarten Öffentliche Ausschreibung, Beschränkte Ausschreibung, Verhandlungsverfahren

  • Orientierung am Verhandlungsverfahren ist möglich

  • Freies wettbewerbliches Verfahren bis zum Erreichen des EU-Schwellenwerts

B. Natur des Geschäfts

  • Große Anzahl an Marktteilnehmern – größerer Wettbewerb

  • Keine Marktübersicht vorhanden – ggf. Teilnahmewettbewerb

C. Einzelfall

  • Binnenmarktrelevanz z.B. Dolmetscherleistungen in Grenznähe

Der Wettbewerb findet dort seine Grenzen, wo er nicht erforderlich oder sinnvoll ist, um sparsam und wirtschaftlich zu beschaffen.

  • Nur ein Angebot möglich
  • Gewachsenes Vertrauensverhältnis (Einzelfall z.B. Rechtsberatung)
  • Größeres Fachwissen

Beachtung des Wechselgebots: Es ist, so weit möglich, unter den Unternehmen zu wechseln.

Sonderregelungen im Freistaat Bayern: Bei freiberuflichen Leistungen ist bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 € eine Direktvergabe möglich.