Sachverhalt
Der Antragsgegner (AG) schrieb Totalunternehmerleistungen für den Bau von Feuerwehrhäusern für Freiwillige Feuerwehren im Land Mecklenburg-Vorpommern als Rahmenvertrag im wettbewerblichen Dialog aus. Geplant werden sollten zwei Varianten von Feuerwehrhäusern (bezeichnet als Langhaus und Kompakthaus), welche durch den Totalunternehmer ggf. mit Nachunternehmen selbst errichtet werden sollen. Die Leistungsbeschreibung wurde hinsichtlich der Bauart systemoffen gehalten. Im wettbewerblichen Dialog hatten die beteiligten Bieter die Möglichkeit, eigene Entwürfe vorzustellen. Der Zuschlag sollte auf den wirtschaftlichsten Vorschlag erteilt werden. Beabsichtigt war die Durchführung des Vergabeverfahrens durch das Land. Städte und Gemeinden konnten nach Zuschlagserteilung selbständig entscheiden, ob sie die Leistungen des bezuschlagten Bieters in Anspruch nehmen.
Die Dokumentation enthielt als Begründung für das Absehen von einer Losaufteilung den Verweis auf ein Gutachten vom 23.11.2023. Dazu wurde u.a. ausgeführt, dass das Land keinen konkreten Weg zur Lösung der Beschaffungsaufgabe verfolge, lediglich das Ergebnis stehe fest. Daher solle im wettbewerblichen Dialog eine wirtschaftliche Lösung ermittelt werden. Es wurde weiter begründet, dass hinsichtlich der Planung und Bauausführung der Feuerwehrhäuser keine konkreten Vorgaben bestehen würden und bewusst eine Systemoffenheit gelassen werden solle. Die ausgeschriebene Leistung könne nach Ansicht des AG nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden. Der wettbewerbliche Dialog erscheine zudem sinnvoll, um im Rahmen des Vergabeverfahrens wirtschaftliche Lösungen zu erarbeiten und im Anschluss die beste Lösung zu bezuschlagen.
Die Antragstellerin (ASt) ließ verschiedene Punkte rügen. Insb. die Totalunternehmervergabe verstoße gegen § 97 Abs. 4 GWB. Der AG half der Rüge nicht ab. Daher stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag. Dabei teilte die ASt mit, dass sie nur hinsichtlich der Planungsleistungen Interesse am Auftrage habe. Eine besondere Komplexität der Leistung liege nicht vor, so dass die Ausschreibung von Totalunternehmerleistungen für Planung und Bau gegen § 97 Abs. 4 GWB verstoße. Der AG machte geltend, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil ein Beschaffungsbedarf nur bei Gesamtvergabe bestehe. Bei Trennung von Planungs- und Bauleistungen sei das Beschaffungsziel nicht erreichbar.
Mit Beschluss vom 20.09.2024 hat die Vergabekammer dem AG aufgegeben, das Verfahren in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen und unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung neu bekannt zu machen. Es sei nicht dokumentiert worden, dass die im Gutachten des Beraters vom 23.11.2023 vorgeschlagene Entscheidung zur Gesamtvergabe selbst getroffen wurde. Eine Nachholung sei nicht möglich. Die Abwägung hätte neben dem Ziel der Innovation auch Ziele der Verhältnismäßigkeit, von Umweltaspekten und Mittelstandsschutz berücksichtigen müssen. Es fehle eine fundierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einschließlich einer Risikobetrachtung. Gegen diesen Beschluss der Vergabekammer wandte sich der AG mit sofortiger Beschwerde an das OLG Rostock.
Beschluss
Ohne Erfolg! Der Nachprüfungsantrag war zulässig.
Dem stand insbesondere nicht entgegen, dass der AG erklärt hat, außerhalb einer Gesamtvergabe kein Beschaffungsinteresse zu haben. Die Vergabekammer habe bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass das Gutachten vom 23.11.2023 inhaltlich keine Entscheidung über die Gesamtvergabe darstelle. Berater dürften zwar in die Entscheidungsfindung eingebunden werden, diese aber selbst nicht treffen. Die dort angegebenen Begründungen erforderten zudem keine Gesamtvergabe.
Die Planung sei gegenüber der Bauleistung grundsätzlich fachlosgeeignet. Dieser Teil der Leistung – und nur darauf kommt es dem Gericht an – werde von speziellen Fachkräften erbracht, des Weiteren existiere für Planungsleistungen ein eigener Markt und sie würden regelmäßig auch gesondert beauftragt. Es sei in diesem Fall unbeachtlich, ob sich für die Gesamtleistung „Integrale Planung und Bau“ (also für Totalunternehmerleistungen) bereits ein eigener Markt etabliert hat. Qualifiziere man die Ausschreibung hier nicht als zusammenfassende Vergabe einzelner Lose einer einheitlichen Leistung, sondern als Zusammenlegung eigenständiger Planungs- und Bauleistungen gelte erst recht der Grundsatz der getrennten Vergabe mit den dazu bestehenden Ausnahmen. Leistungen seien nach § 97 Abs. 4 S. 1-3 GWB – wiederholt in § 5 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 bis 3 EU VOB/A – in Losen zu vergeben. Ein Absehen hiervon sei nur zulässig, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Die Aufteilung von Aufträgen in Teil- und Fachlose sei bereits vor Inkrafttreten zum Schutz des Mittelstandes vorgesehen gewesen. Eine Gesamtvergabe dürf nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen. Neben der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung seien auch die weiteren Grundsätze der Vergaberechts zu berücksichtigen (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit). Auch auf normierte strategische Ziele wie Qualität, Innovation, soziale und umweltbezogene Aspekte ist zu achten.
Ein anderer Maßstab seit auch nicht anzusetzen, weil § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 BwBBG eine Gesamtvergabe in Abweichung von § 97 Abs. 4 GWB bereits dann zulasse, wenn wirtschaftliche, technische oder zeitliche Gründe die (nur) „rechtfertigen“. Dies entspräche der einheitlichen Linie der Rechtsprechung. Die Überprüfung der Einhaltung des Beurteilungsspielraum des AG setze voraus, dass die Nachprüfungsinstanzen die Argumentation des Auftraggebers zumindest nachzuvollziehen vermögen. Dies gelte auch, wenn sie sie nicht teilen würden.
Praxistipp
Eine Entscheidung über eine Gesamtvergabe ist detailliert zu dokumentieren und fundiert zu begründen. Neben den wirtschaftlichen Aspekten sollten auch die Vergabegrundsätze, wie Transparenz und Verhältnismäßigkeit, sorgfältig abgewogen werden. Es empfiehlt sich, eine umfassende Risikobetrachtung und eine klare Wirtschaftlichkeitsanalyse durchzuführen, um die Entscheidung vor möglichen rechtlichen Prüfungen abzusichern.