Abweichungenvom Grundsatz der Produktneutralität sindzulässig, wenn nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe tatsächlich vorliegen.
Sachverhalt
Produktspezifisch ausgeschrieben waren im Rahmen eines Förderprojekts mehrere Tablets nebst Zubehör in zwei Losen. Aufgrund eines früheren Pilotprojekts waren bereits iPads von der Firma Apple angeschafft worden. Die Vergabestelle begründete dies wegen der gewünschten Einheitlichkeit der Geräte und wegen der notwendigen Integration in die vorhandene Systemarchitektur. Hiergegen wandte sich Bieter A, der mit dem Betriebssystem „Android“ ausgestattete Tablets vertreibt. Seine Produkte seien gleichwertig und ließen sich ohne zu großen Aufwand in die vorhandene IT-Landschaft integrieren und parallel mit den iOS-Geräten betreiben. A legte Beschwerde ein, nachdem die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag abgelehnt hatte.
Beschluss
Ohne Erfolg. Eine produktspezifische Ausschreibung ist rechtfertigungsbedürftig, aber auch rechtfertigbar, wenn der öffentliche Auftraggeber sich auf nachvollziehbare und tatsächlich bestehende Gründe aus der Sache heraus berufen kann, die willkür- und diskriminierungsfrei die Vorgabe eines bestimmten Produkts erlauben. Im Hardware- und Softwarebereich kann diese Notwendigkeit insbesondere durch eine Nutzung der bereits vorhandene IT-Struktur entstehen. Eine Vermeidung von Fehlfunktionen und Kompatibilitätsproblemen sei im Interesse der Systemsicherheit ein legitimes Ziel. Die Annahme, dass der Betrieb von Endgeräten mit unterschiedlichen Betriebssystemen fehleranfälliger sei, überzeugt den Vergabesenat. Auch entstünde ein Mehraufwand für Schulungen von Lehrkräften und Nutzern.
Praxistipp
Die produktspezifische Ausschreibung ist ein Ausnahmetatbestand. Die vorgestellte Entscheidung macht deutlich, dass sich eine Begründung aus der Sache heraus finden lässt. Eine aufwändige Markterkundung im Vorfeld muss nicht unbedingt stattgefunden haben. Nach wie vor ist eine ausführliche Dokumentation in der Vergabeakte wichtig.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.07.2021 (Az.: 19 Verg 2/21)
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