OLG Celle: Zuschlagserteilung mit Änderungen ist neues Angebot


War ein dem Zuschlagsschreiben beigefügter Vertragsentwurf zuvor nicht Teil der Vergabeunterlagen und enthält dieser Abweichungen zum Angebot des Bieters, führt dies nicht zum Vertragsschluss.

 

Sachverhalt:

Das klagende Land verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrages über die Durchführung von Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen B. für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2019. Streitig ist, ob zwischen den Parteien ein Vertrag zustande gekommen ist.
 

Mit Zuschlagsschreiben vom 17. März 2015 erklärte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, dass den Beklagten der Zuschlag erteilt werde. Es wurde gebeten, umgehend anliegende Schriftstücke (u.a. eine Ausfertigung des Vertrags mitsamt Anlagen) unterzeichnet zurückzusenden.
 

Dem per Einschreiben an die Beklagten übersandten Zuschlagsschreiben waren - wie in dem Kopf des Schreibens angegeben - u.a. zwei Vertragsausfertigungen nebst jeweils drei Anlagen beigefügt Das Schreiben war auch "vorab per Fax" übersandt worden; der Faxsendung waren die Anlagen nicht beigefügt. Der Vertragsentwurf war nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen und wurde erstmals mit Zuschlagsschreiben an die Beklagten übersandt.
 

Der Bitte um Unterzeichnung der Vertragsausfertigungen kamen die Beklagten nicht nach. Es kam in der Folge zu Unstimmigkeiten über einen von den Beklagten gewünschten Vertragszusatz. Daher bat der Kläger per E-Mail, den unterzeichneten Vertrag umgehend zurückzugeben und die Arbeiten vertragsgemäß vor Ort aufzunehmen. Die Beklagten lehnten die Unterzeichnung des "Vertragsvorschlags" ab. Daraufhin erklärte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, dass eine Unterzeichnung des Vertrages nicht zwingend notwendig sei. Der Vertrag ist bereits auf Grundlage des Angebots zustande gekommen. Die Beklagten erwiderten ebenfalls per E-Mail, dass nach ihrer Auffassung kein Vertrag zustande gekommen sei.
 

Erstinstanzlich wurden die beklagten Unternehmer zur Zahlung in Höhe von 488.672,29 € verurteilt. Die Beklagten hätten die durch eine anderweitige Beauftragung der Sicherheitskontrollen entstandenen Mehrkosten zu tragen.

 

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Durch das Zuschlagsschreiben des Klägers sei kein Vertrag zustande gekommen, weil sich das Angebot und die Annahme nicht deckten. Der Vertragsentwurf des Klägers sei von dem Angebot nicht umfasst gewesen, weil er der Auftragsbekanntmachung des Klägers nicht beigefügt gewesen sei. Die Annahmeerklärung des Klägers habe die Regelungen des beigefügten Vertragstextes beinhaltet. Dieser enthalte Regelungen, die nicht Gegenstand des Angebotes gewesen seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ändere die Aufforderung des Klägers, mit der Ausführung der Leistung zu beginnen, nichts daran, dass gemäß § 150 Abs. 2 BGB bei einer Abweichung von Angebot und Annahme kein Vertrag zustande komme.

 

Urteil:

Die Berufung hatte Erfolg! Die Klage war unbegründet.
 

Das Angebot der Bieter wurde nicht wirksam angenommen. Bei der Annahme eines Angebotes handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Diese muss die vorbehaltlose Akzeptanz des Angebotes zum Ausdruck bringen. Ob eine entsprechende Willenserklärung vorliegt, ist in Zweifelsfällen durch Auslegung zu ermitteln. Erfolgt die Zuschlagserteilung aber unter Änderungen, handelt es sich gemäß § 150 Abs. 2 BGB nicht um eine Annahme, sondern um ein neues Angebot.

Hinzu kommt, dass bei einer „Annahme“ unter Änderungen das ursprüngliche Angebot abgelehnt wird; die Ablehnung führt zum Erlöschen des Angebots (§ 146 BGB). Die Übersendung eines Vertragstextes mit geänderten Bedingungen bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass ein Vertragsschluss zu den alten Bedingungen nicht erfolgen soll. Die Annahme des Angebotes zu den alten Bedingungen ist dann nicht mehr möglich.

 

Praxistipp:

Vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Nachverhandlungsverbots können und dürfen öffentliche Auftraggeber Bietern mit dem Zuschlagsschreiben keine Änderungen zu ihrem Angebot aufgeben. Insbesondere die Ausfertigung eines Vertrages erst nach Zuschlagserteilung ist fehleranfällig. Schon auslegbare Formulierungen können eine Vertragsänderung bedeuten. Soll mit Zuschlagserteilung ein ausformulierter Vertrag zustande kommen, ist dieser bereits mit Bekanntmachung den Vergabeunterlagen beizufügen, um Unklarheiten zu vermeiden.

 

OLG Celle, Urteil vom 29.12.2022, Az. 13 U 3/22

Ihr persönlicher Kontakt Angelika Höß
Telefon: 089-5116-3171
E-mail schreiben