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VK Niedersachsen: Wer (ausreichend) schreibt, der bleibt: Dokumentationspflichten bei Jury-Bewertung
Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend so zu dokumentieren, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht ist immer zugleich auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot. Die für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen sind in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht und Ergebnis in die Benotung eingegangen sind.
Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (Ag.) schrieb in einem EU-weiten offenen Verfahren diverse Dienstleistungen für den Betrieb von Notunterkünften (NUK) aus. Später streitgegenständlich wurden Los 6 „soziale Dienste für die NUK“ und Los 7 „Medizinische und ärztliche Versorgung für die NUK “. Neben dem Preis mit 60 % wurden bei beiden Losen einzureichende Konzepte (Los 6 Rahmenkonzept und Los 7 Betriebskonzept) mit 40 % bewertet. Laut Leistungsbeschreibung erfolgte die Bewertung „durch eine Jury von mind. 3 Personen aus unterschiedlichen Bereichen … Aus den Einzelbewertungen wird kein Durchschnitt gebildet, sondern die bewertenden Personen finden in einer Beratung einen Konsens und einigen sich auf eine abschließende Gesamtbewertung."
Der Antragsteller (Ast.) gab fristgemäß ein Angebot für Lose 6 und 7 ab, ebenso wie die späteren Beigeladenen B 1 und B 2. Die Auswertung der Konzepte für die Lose 6 und 7 bestand aus einem "Protokoll über die Bewertung der Lose 6 und 7" sowie für jedes Los aus drei separaten Wertungen mit Punktevergaben. Nach erfolgloser Rüge stellte der Ast einen Nachprüfungsantrag bei der VK Niedersachsen, in dem er neben weiteren Verstößen die fehlende Nachvollziehbarkeit der Konzeptbewertungen beanstandete.
Beschluss:
Mit Erfolg! Sofern der insgesamt zulässige Nachprüfungsantrag die Angebotswertung betraf, war er zulässig und begründet. Das Verfahren wurde in den Stand vor Angebotswertung zurückversetzt, mit der Maßgabe, die erneute Angebotswertung mit einer nunmehr ausreichenden Vergabedokumentation durchzuführen.
Die Ag. habe es versäumt, die im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes durch die eingesetzte dreiköpfige Jury erfolgte Bewertung der von den Bietern für die verfahrensgegenständlichen Lose 6 und 7 mit dem Angebot einzureichenden Konzepte in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren und die Punktevergabe zu begründen.
Auftraggeber seien verpflichtet, das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend so zu dokumentieren, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Dies diene sowohl der Überprüfbarkeit der Vergabeentscheidung durch Nachprüfungsinstanzen als auch der Nachvollziehbarkeit und Kontrolle durch die Bieter.
Dies erstrecke sich sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch auf die Maßnahmen, Feststellungen und Begründungen der einzelnen Entscheidungen. Die Dokumentation müsse nicht notwendigerweise in einem zusammenhängenden Vergabevermerk erfolgen, könne aus mehreren Teilen bestehen, müsse aber lückenlos sein sowie zeitnah erstellt und laufend fortgeschrieben werden.
Der öffentliche Auftraggeber müsse seine maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar sei, welche konkreten Details des jeweiligen Konzepts ausschlaggebend für die Punktevergabe gewesen seien. Die Begründung müsse dazu alle Informationen enthalten, die notwendig seien, um die Entscheidungen nachvollziehen zu können.
Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Zwar fehle die Begründung zur Punktevergabe der Konzeptbewertungen nicht völlig. Sie sei aber widersprüchlich und die jeweiligen Einzelbewertungen der drei Jurymitglieder seien nicht dokumentiert worden.
Erforderlich sei allerdings eine zumindest stichwortartige Begründung der Punktevergabe durch die Mitglieder der Bewertungskommission, die bezüglich der Kriterien, in denen Punktabzüge vorgenommen worden seien und in denen sich die Bieterkonzepte nach Feststellung der Kommission qualitativ wesentlich unterschieden hätten, notwendigerweise ausführlicher ausfallen müsse. Vorliegend hätte eine vergleichende Gegenüberstellung der jeweiligen Stärken und Schwächen der Bieterkonzepte erörtert und dokumentiert werden müssen.
Die Ag. müsse nunmehr im Rahmen einer erneuten Angebotswertung die Konzeptbewertungen und Punktevergabe zumindest kurz, aber transparent und nachvollziehbar in Textform begründen. Besondere Stärken oder Schwächen der angebotenen Konzepte im Vergleich zu den jeweils anderen Angeboten müssten - wenn sie von den Mitgliedern der Bewertungskommission festgestellt werden - hervorgehoben werden.
Praxistipp:
Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass auf eine nachvollziehbare und transparente Vergabedokumentation ganz besonderes Augenmerk zu legen ist. Gerade bei Jury-Entscheidungen sollten Vergabestellen im Vorfeld alle Jury-Mitglieder auf die Notwendigkeit einer inhaltlich nachvollziehbaren und ausführlichen Bewertungsbegründung hinweisen – und auf die Folgen, wenn diese fehlt. In der Praxis bewährt haben sich Vordrucke für jedes Jury-Mitglied und jedes Angebot, in denen u.a. die einzelnen Wertungskriterien vorgegeben sind und bei subjektiven Wertungen auch ausfüllbare Felder für „Stärken/Pros“ und „Schwächen/Contras“ der Angebote.