VK Bund: Zur Zulässigkeit der Angabe von Referenzprodukten

 
Im Falle der Festlegung eines Referenzprodukts (auch Leitprodukt oder Leitfabrikat) ist sicherzustellen, dass die wettbewerblichen Auswirkungen berücksichtigt werden, selbst wenn der Hinweis „oder gleichwertig“ erfolgt. Die vorgegebenen Anforderungen sind so zu gestalten, dass der Wettbewerb nicht auf ein einzelnes Produkt beschränkt wird, sofern am Markt gleichwertige Produkte verfügbar sind. 
 
Nach § 31 Abs. 6 VgV darf grundsätzlich nicht auf bestimmte Produkte eines Herstellers verwiesen werden. Die Beschreibung nachgefragter Leistungen soll ohne derartige Bezugnahmen erfolgen. Liegt der Ausnahmefall vor, dass der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann, ist der Zusatz „oder gleichwertig“ erforderlich.
 
Sachverhalt:
Ausgeschrieben wurde im offenen Verfahren eine Rahmenvereinbarung zur Lieferung von Werkzeug und Zubehör. Dies ist bestimmt für den Einsatz im Bereich der Bundesforstverwaltung. Die Geräte in vier Größen werden unter Angabe einer Produktbezeichnung mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ beschrieben. Die Vergabestelle hat dokumentiert, dass ein Produktverweis erforderlich ist, da eine verständliche Beschreibung nicht möglich sei. 
 
Die Antragstellering (ASt) rügte u.a., dass die Ausschreibung auf Produkte des Herstellers des Referenzproduktes beschränkt sei. Die Antragsgegnerin (Ag) lehnte es ab, dem Rügevorbringen abzuhelfen. Vor der Bekanntmachung sei eine umfassende Marktanalyse durchgeführt worden. Dabei seien für die vorgesehenen Einsatzgebiete Motoren verschiedener Hersteller in die engere Auswahl gekommen. Die identifizierten Produkte wurden verglichen, das in den Vergabeunterlagen benannte Referenzprodukt hat deutlich niedrigere Werte im Bereich Vibration bei geringem Gewicht. Der Produktverweis sei durch den Auftragsgegenstand „aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gerechtfertigt.“
 
Hiergegen wendet sich die ASt mit einem Nachprüfungsantrag. Die Ag habe gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung verstoßen. Die von der Ag im offenen Verfahren bekannt gemachten technischen Leistungsdaten weisen starre Grenzen auf, die von den angegebenen Referenzprodukten eingehalten werden könnten. 
 
Entscheidung:
Mit Erfolg! Der Nachprüfungsantrag ist begründet, soweit die ASt die fehlende Produktneutralität der Leistungsbeschreibung geltend macht. In ihre Leistungsbeschreibung hatte die Produktdatenblätter von Geräten des Referenzproduktes genau übernommen. Die Übernahme der Produktdatenblätter war unstreitig. 
 
Ob die Voraussetzungen für die Bezugnahme auf ein Referenzprodukt überhaupt vorlagen, war von Anfang an fraglich. In diesem Fall wäre nach Ansicht der Vergabekammer eine Produktbeschreibung schlicht durch Benennung einiger technischer, für die Ag wichtiger Parameter allgemein und ohne Bezugnahme auf ein Leitfabrikat möglich gewesen. 
 
Im Vergabevermerk hatte die Ag zur Produktneutralität dargelegt, dass aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes die Referenzprodukte für vorzugswürdig gehalten werden. „Aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (…) eine Nennung der Produktbezeichnung gerechtfertigt“ sei. 
 
Maßstab für die Zulässigkeit der Benennung eines Leitfabrikats ist nach § 31 Abs. 6 VgV aber nicht, welches Produkt der Auftraggeber für vorzugswürdig hält. Die Vorschrift stellt vielmehr darauf ab, ob das gewünschte Produkt ohne Verweis auf das Leitfabrikat nicht hinreichend genau beschrieben werden kann. Wollen Bieter ein gleichwertiges Fabrikat anbieten, bleiben gewisse Unsicherheiten. Die Gleichwertigkeit muss vom Auftraggeber auch anerkannt werden. 
 
Auch wenn man im vorliegenden Fall die Vorgabe eines Referenzproduktes für zulässig halten würde, käme man zu einem Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität. Die angegebenen technischen Daten (Gewicht, Schalldruckpegel, Vibrations- und Emissionswert) entsprachen exakt dem Referenzprodukt. Die so definierten Maximalwerte werden durch die Produkte der ASt geringfügig überschritten. Produkte der ASt hätten wegen des Abweichens von den Maximalvorgaben zwingend ausgeschlossen werden müssen. 
 
Praxistipp:
Im Falle der Festlegung eines Referenzprodukts (auch Leitprodukt oder Leitfabrikat) ist sicherzustellen, dass die wettbewerblichen Auswirkungen berücksichtigt werden, selbst wenn der Hinweis „oder gleichwertig“ erfolgt. Die vorgegebenen Anforderungen sind so zu gestalten, dass der Wettbewerb nicht auf ein einzelnes Produkt beschränkt wird, sofern am Markt gleichwertige Produkte verfügbar sind. Werden Grenz- oder Höchstwerte definiert, so kann dies insb. durch Gründe des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sein. In solchen Fällen ist jedoch die Herkunft der entsprechenden Angaben einer sorgfältigen Überprüfung zu unterziehen. Die Prüfung ist detailliert und nachvollziehbar zu dokumentieren. 
 
VK Bund, Beschluss vom 07.08.2024, Az.: VK 2 – 63/24
 
Die hier zitierten Entscheidungen finden Sie in der Regel über https://dejure.org/. Sollte eine Entscheidung hierüber nicht auffindbar sein, hilft Ihnen Ihre zuständige Auftragsberatungsstelle gerne weiter. 

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