OLG Zweibrücken: Auch unterhalb der EU-Schwellenwerte: unverzüglich rügen!


Nicht nur bei Vergabeverfahren EU-weit ist ein Bieter gehalten, erkannte oder erkennbare Vergaberechtsverstöße ohne schuldhaftes Zögern zu rügen.

 

Sachverhalt:

Ausgeschrieben waren Straßenbauleistungen in einem nationalen Verfahren. Bieter B wird am 03.12.2019 zu einem "Aufklärungsgespräch zu verschiedenen Einheitspreisen der LV-Positionen" eingeladen. Im Rahmen des Aufklärungsgesprächs moniert der öffentliche Auftraggeber eine unzulässige Mischkalkulation. Mit Telefax vom 05.12.2019 wird das Angebot des B ausgeschlossen. Dieser rügt erfolglos seinen Ausschluss mit Schreiben vom 12.12.2019. B beantragt vor dem LG Zweibrücken den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, dem öffentlichen Auftraggeber zu untersagen, den Zuschlag an den Zweitplatzierten zu erteilen.

 

Beschluss:

Im Ergebnis ohne Erfolg: Nachdem das Gericht die einstweilige Verfügung zunächst per Beschluss erlässt, hebt es diese im Widerspruchsverfahren auf. Die dagegen gerichtete Berufung des B bleibt erfolglos. B habe die von ihm behaupteten Vergabefehler nicht rechtzeitig gerügt, sein Antrag sei somit unzulässig. Spätestens im Rahmen des Aufklärungsgesprächs am 03.12.2019 habe B Kenntnis aller maßgeblichen Umstände des Ausschlusses gehabt. Seine Rüge erfolgte aber erst am 12.12.2019. Auch bei nationalen Auftragsvergaben seien Bieter gehalten, erkannte oder erkennbare Vergaberechtsverstöße umgehend zu rügen. Durch die Teilnahme an der Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags entstehe ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit daraus entstehenden wechselseitigen Fürsorge- und Schutzpflichten.

 

Praxistipp:

Bei Verfahren im Unterschwellenbereich ist es von Grund auf schwerer für Bieter, an ihr Primärrechtsinteresse zu gelangen, nämlich den Auftrag zu erhalten. Wenige Bundesländer haben den Rechtschutz bei nationalen Verfahren so ausgebildet, dass der öffentliche Auftraggeber eine sogenannte Wartepflicht einhalten muss, bevor er einen Zuschlag erteilt. Davon losgelöst gilt aber für ein erfolgreiches Umsetzen des Bieterschutzes, dass eine mögliche Rechtsverletzung sofort gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber gerügt werden muss. Im dargestellten Fall hätte der Primärrechtsschutz erfolgreich durchgesetzt werden können, hätte der Bieter unverzüglich erklärt, durch den Ausschluss seines Angebots in seinen Rechten verletzt zu sein.

 

OLG Zweibrücken, Beschl. vom 11.10.2021 (Az.: 1U 93/20)

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