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OLG Rostock: Wann darf auf eine Losvergabe verzichtet werden?
Will der Auftraggeber von der Losaufteilung absehen, muss er sich zu einen im Detail mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe auseinandersetzen, zu anderen mit den im konkreten Fall dagegensprechenden Gründen.
Sachverhalt:
Der Antragsgegner (AG) hat im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb den Bau einer Zügelgurtbrücke BW 5 in Stahlverbundbauweise mit einer Gesamtlänge von 1.465 m mit zugehörigen Teilbauwerken BW 10 Lärmschutzbauwand, BW 11 Kollisions- und Irritationsschutzwand und BW 12 Uferwand, EU-weit ausgeschrieben.
Die Untersuchung der fachlosweisen Vergabe im Vorfeld der Bekanntmachung führte zu der Entscheidung, die Kollisions- und Irritationsschutzwände aufgrund der engen technischen Verzahnung mit den Über- und Unterbauten des Bauwerkes sowie der neu zu erstellenden Verkehrsanlage im Anschlussbereich des Bauwerkes gemeinsam mit dem Bauwerk herzustellen und auf die losweise Vergabe zu verzichten.
Zur Begründung wurde auf die Anordnung der Bohrpfähle der Wände (BW 10 und 11) am Übergangsbereich von Bauwerk zur freien Strecke eingegangen. Die Anordnung der Bohrpfähle hat direkten Einfluss auf die Herstellung der Widerlager und der anschließenden Dämme der freien Strecke. Beim Straßenbau vor und hinter der Brücke sollten mindestens die Gründungen, die Pfosten und die Sockelelemente der Kollisions- und Irritationsschutzwände zeitlich mit dem Brückenbau hergestellt werden. Diese dienen als Stützwand für den Straßendamm. Im Weiteren wurde auf die Abhängigkeit des Herstellungszeitpunktes von der Herstellungstechnologie für die Vorlandbrücken eingegangen. Die Montagetechnologie sollte Gegenstand des Verhandlungsverfahrens sein. Die gesonderte Vergabe der übrigen Wandelemente berge die Gefahr von Beschädigungen am Korrosionsschutz der in einem anderen Los gestellten Pfosten. Die vollständige Begründung enthält weitere Argumentationen, die auch zeitliche Faktoren und eine Beschleunigungsvergütung für Bauverträge im Straßen- und Brückenbau berücksichtigt.
Der Verzicht auf die losweise Vergabe wird von der Antragstellerin (ASt), einem mittelständischem, auf die Errichtung von Schutzwänden spezialisiertem Bauunternehmen gerügt. Die ASt ist an einer Bewerbung für die Errichtung der BW 10 und 11 interessiert und stellt nach Zurückweisung der Rüge einen Nachprüfungsantrag.
Die Vergabekammer weist den Nachprüfungsantrag zurück, die ASt wendet sich mit sofortiger Beschwerde zum OLG Rostock gegen den Beschluss 23.05.2024, 1 VK 01/24. Nach Auffassung der ASt ist die Gesamtvergabe weder aus wirtschaftlichen noch aus technischen Gründen erforderlich.
Entscheidung:
Mit Erfolg! Auf die sofortige Beschwerde der ASt wird der Beschluss der Vergabekammer abgeändert. Das Vergabeverfahren wird in den Stand vor der Ausschreibung zurückversetzt. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, im Fall fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Berücksichtigung der Auffassung des Senats zunächst die Prüfung zu wiederholen, ob die BW 10 und 11 zusammen in einem gesonderten Fachlos auszuschreiben sind.
Es wurde zu Recht nicht in Zweifel gezogen, das Schutzwandarbeiten fachlosgeeignet sind. Sie bilden bei Straßenbauarbeiten ein eigenes abgrenzbares Gewerk und es existiert ein eigenständiger Angebotsmarkt.
Sofern der AG auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahr 2009 Bezug nimmt, erfolgt der Hinweis, dass die Rechtsprechung bereits damals von einem Regel-/Ausnahmeverhältnis ausging. Im Ergebnis einer umfassenden Abwägung müssen die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. November 2009 – VII-Verg 27/09 –, Rn. 53 54, juris). Die als Ergebnis der Untersuchung erarbeiteten Erläuterungen genügen für eine beanstandungsfreie Entscheidung über die Fachlosaufteilung nicht.
Inwieweit eine sukzessive Ausschreibung tatsächlich negative Auswirkungen auf den Bauablauf und die Gesamtbauzeit gehabt hätte, lässt sich aus der Dokumentation des AG nicht nachvollziehen. Zudem geht die Einschätzung des AG, bei getrennter Ausschreibung hätte sich auf jeden Fall eine nachlaufende Herstellung der Schutzwände ergeben, von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Die Ausschreibung des zu bildenden Fachloses wäre nach Ansicht des Vergabesenats bereits zum vorgesehenen Zeitpunkt des Zuschlags für die Brückenbauarbeiten möglich gewesen. Die zu erbringenden Schutzwandarbeiten sollten zu diesem Zeitpunkt weitgehend feststehen.
Das Vergabeverfahren dürfte zudem zügig abzuschließen sein, da die Tätigkeiten nicht erst durch Verhandlungen mit dem Schutzwandbauer auszugestalten sind. Verzögerungen des Bauablaufs und der Bauzeit sind nicht zwingend zu erwarten, da die Schutzwandarbeiten nicht zu einer frühen Phase des Brückenbaus erfolgen. Als eigentliches Problem wurde in der mündlichen Verhandlung erarbeitet, dass die exakte Ausführungszeit vom konkreten Bauablauf abhängt. Dies kann bei der Werkstattplanung der Brückenbauers Anpassungen unterliegen. Es besteht die Möglichkeit vertraglich festzulegen, wie auf Verzögerungen zu reagieren wäre. Weshalb vertragliche Bindungen nicht möglich sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Es bestünde die Alternative, dass für die Leistungserbringung des Schutzwandbauers ein Leistungszeitraum festgelegt wird, in welchem dieser auf Abruf innerhalb bestimmter Fristen bereitstehen müsste.
Zwar mag dies Auswirkungen auf den Preis haben, beide Varianten dokumentieren aber keinen maßgeblichen Unterschied zur Gesamtvergabe. Der Brückenbauer muss sich ebenfalls in geeigneter Art und Weise der Leistungsfähigkeit seines Nachunternehmers versichern und dies im Angebot einpreisen. Tut er dies nicht, besteht das Risiko, kurzfristig keinen Schutzwandbauer zu finden.
Die wesentliche Unterscheidung ist, dass ein Generalunternehmer nicht ausschreibungspflichtig agiert, somit flexibler gestalten kann. Eine evtl. Verschiebung von Anschlusspunkten für die Pfosten im Bereich der Strombrücke je nach Länge der Schüsse/Takte ist nicht erkennbar, was maßgebliche Änderungen im Schutzwandbau erfordere. Die Länge der Wandelelemente und die Abstände zwischen den Anschlusspunkten seien festgelegt. Allenfalls im Zwickelbereich könnten – allerdings in begrenztem Umfang - Anpassungen erforderlich werden.
Praxistipp:
Mit dieser Entscheidung wird erneut verdeutlicht, dass der Verzicht auf die losweise Vergabe an hohe Anforderungen geknüpft ist, um dem Gebot der Mittelstandförderung gerecht zu werden. Den im Vorfeld erarbeiteten, weitreichenden Begründungen fehlt es vorliegend an der Argumentation, inwieweit sich der Koordinierungsaufwand mit einem Nachunternehmer zur Installation von Schutzwänden von dem unterscheidet, der mit dem Auftragnehmer eines Fachloses entstehen würde. Ein erweiterter Planungsaufwand für die Vergabestelle kann dann gelten, wenn die Gesamtvergabe nicht lediglich den Koordinierungsaufwand delegiert.