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VK Rheinland: Bei Präqualifikation kein Ausschluss ohne Aufklärung
Sämtliche Eignungskriterien sowie deren Nachweise müssen in der Auftragsbekanntmachung angeführt werden. Der öffentliche Auftraggeber darf die Eignung der Bieter ausschließlich anhand dieser Eignungskriterien prüfen. Er darf von präqualifizierten Unternehmen im Umfang ihrer Präqualifizierung keine Einzelnachweise fordern, sondern muss diese als Nachweis der Eignung akzeptieren und sich inhaltlich mit den Präqualifikationsunterlagen auseinandersetzen. Allerdings ist ein Bieter nur insoweit präqualifiziert, als die für ihn hinterlegten Angaben mit den Referenzanforderungen des öffentlichen Auftraggebers übereinstimmen. Es ist unzulässig, die Eignung zu verneinen, obwohl nur Zweifel an der Eignung bestehen und eine weitere Aufklärung durch den Auftraggeber möglich ist.
Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (Ag.) schrieb Rohbauarbeiten für den Neubau eines Hallenbades in einem offenen Verfahren europaweit aus. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Als Eignungsnachweis forderte sie u.a. eine Eigenerklärung über die in den letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte sowie eine Eigenerklärung zu Referenzen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre. Präqualifizierte Unternehmen konnten den Nachweis der Eignung durch eine Eintragung in ein Präqualifikationsverzeichnis erbringen. Bei Einsatz von Nachunternehmern waren die hierfür vorgesehenen Leistungen/Kapazitäten im Angebot zu benennen und ergänzend eine den Vergabeunterlagen beigefügte Erklärungen (Formblatt 233 VHB) abzugeben.
Die Antragstellerin (Ast.) gab ein Angebot ab. Dieses enthielt u.a. das Formblatt F3 DEG mit der Erklärung über die in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich Beschäftigten. Ebenfalls beigefügt war die Eigenerklärung zur Eignung (FB 124 VHB) mit den geforderten Umsatzangaben und der Erklärung, dass sie in den letzten drei Jahren vergleichbare Leistungen ausgeführt habe. Die Ast. hatte das Formular außerdem mit dem Zusatz "Wir sind im PQ-Verein unter Nr. … präqualifiziert“ versehen.
Die Formblätter 235 (Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen) und 236 (Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen) hat die Ast. nicht ausgefüllt, sondern durchgestrichen und mit dem Zusatz "nicht relevant!" versehen. Nach dem Submissionsprotokoll gab die Ast. das Angebot mit dem niedrigsten Preis ab.
Im Rahmen der Eignungsprüfung kamen der Ag. Zweifel an der Eignung der Ast., die darauf gründeten, dass die Ast. zwar präqualifiziert sei, sich aus den Präqualifizierungsangaben sowie aus den eigenen Angaben der Ast. im Formblatt F3 DEG - Eigenerklärung Mitarbeiter - ergab, dass der Ast. in 2022 nur 12 gewerbliche Mitarbeiter zur Verfügung standen. Aus der Prüfung der im Präqualifizierungsverzeichnis angegebenen Referenzen schloss die Ag., dass die Antragstellerin in den meisten Referenzprojekten auf Mitarbeiter außerhalb ihres Unternehmens zurückgegriffen habe. Sie ging davon aus, dass die Ast. prognostisch nicht dazu in der Lage sei, die ausgeschriebenen Leistungen mit nur 12 Mitarbeitern ordnungsgemäß auszuführen und vermutete daher, dass sich die Ast. der Eignungsleihe bedienen wolle, um die Eignung über fremde Ressourcen zu begründen. Eine daraufhin von der Ag. durchgeführte Aufklärung konnten die Zweifel nicht beseitigen, so dass das Angebot der Ast. ausgeschlossen wurde. Nach erfolgloser Rüge stellt die Ast. einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Rheinland-Pfalz.
Beschluss:
Mit Erfolg! Die Ag. habe das Angebot der Ast. zu Unrecht mangels Eignung nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 16b VOB/A-EU bei der weiteren Wertung nicht berücksichtigt bzw. deren Angebot zu Unrecht nach § 16a Abs. 5, § 16 Nr. 4 VOB/A-EU wegen Nichtvorlage von Unterlagen von der Wertung ausgeschlossen.
Vorliegend habe die Ag. für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit eine Eigenerklärung zur Mitarbeiterzahl (§ 6a Nr. 3g VOB/A-EU) mittels Verwendung des Formblatts F3 DEG sowie eine Eigenerklärung zu vergleichbaren Leistungen (§ 6a Nr. 3a VOB/A-EU) mittels Verwendung des Formblatts VHB 124 gefordert. Weitere Eignungskriterien bezogen auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit, insbesondere in Form von Mindestanforderungen, habe die Ag. nicht gestellt. So habe sie keine Mindestmitarbeiterzahlen verlangt oder Leistungsbereiche benannt, die nicht fremdvergeben werden dürfen.
Die Ast. habe die o.g. Formblätter ausgefüllt und vorgelegt, obwohl es sich bei ihr um ein präqualifiziertes Unternehmen handelte und es einer solchen Vorlage daher nicht bedurft hätte. Die Ag. selbst habe in der Auftragsbekanntmachung ausgeführt, dass die Nachweisführung zur Eignung für präqualifizierte Unternehmen über die Eintragung ins Präqualifikationsverzeichnis erfolgen könne.
Allerdings sei ein Bieter nur insoweit präqualifiziert, als die für ihn hinterlegten Angaben mit den Referenzanforderungen des öffentlichen Auftraggebers übereinstimmen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.06.2022 - Verg 19/22). Vorliegend seien für die Ast. im Präqualifikationsverzeichnis Referenzen hinterlegt, die von ihrem Auftragsvolumen und den referenzierten Leistungen mit dem ausgeschriebenen Auftrag vergleichbar seien und z.T. sogar über diesen hinausgehen.
Hätte die Ag. weitere Aspekte, die nicht von der Präqualifikation erfasst sind, als eignungsrelevant ansehen wollen, hätte sie dies in der Bekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen transparent darstellen müssen. Dies sei nicht geschehen.
Im Rahmen seiner Eignungsentscheidung dürfe der öffentliche Auftraggeber die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Angaben nicht ohne Begründung in Zweifel ziehen. Zwar sei er nicht gehindert, negative Erkenntnisse anderer Auftraggeber oder eigene negative Erkenntnisse bei der Eignungsprüfung zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei jedoch für solche negativen Erkenntnisse nichts ersichtlich. Doch selbst solches unterstellt, habe der öffentliche Auftraggeber in diesem Fall eine Abwägung der an sich positiven Prognose aufgrund der eingereichten Nachweise bzw. der Präqualifikation mit den weiteren negativen Erkenntnissen vorzunehmen. Dass die Ag. solche Gesichtspunkte überhaupt ins Auge gefasst hätte, sei nicht erkennbar.
Trotz der vorgelegten Formblätter und der Eintragung der Ast. u.a. für die "Komplettleistung 611_01 umfassende Bauleistung Neubau" im Präqualifikationsverzeichnis habe die Ag. die Ast. mangels technischer und beruflicher Leistungsfähigkeit als ungeeignet angesehen. Begründet habe sie dies einzig mit dem Argument, die Ast. beschäftige zu wenig gewerbliche Mitarbeiter. Damit verkenne die Ag. die Aussagekraft des Präqualifikationsverzeichnisses. Die Eignungsprüfung sei daher nicht vergaberechtskonform erfolgt.
Praxistipp:
Präqualifizierte Unternehmen sollten bei jeder Angebotserstellung prüfen, ob die geforderten Eignungsnachweise den im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweisen entsprechen oder ob darüberhinausgehende Anforderungen in den Vergabeunterlagen gestellt werden.
Dies ist insbesondere bei Referenzen zu beachten. Es sollte immer geprüft werden, ob die hinterlegten Referenzen mit den in dem jeweiligen Verfahren geforderten Referenzen vergleichbar sind. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen mit dem Angebot zusätzlich die geforderten Referenznachweise eingereicht werden. Anderenfalls droht der zwingende Angebotsausschluss! Die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Referenzen liegen vor, sind jedoch nicht vergleichbar, und können – anders als gänzlich fehlende Referenzen – nicht nachgefordert werden.