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Die Modernisierung des Vergaberechts: Der erste „Vergabetag Bayern“ war ein voller Erfolg
In Deutschland kaufen Bund, Länder und Kommunen jährlich Produkte und Dienstleistungen im Wert von rund 360 Milliarden Euro ein. Ein Großteil dieses Beschaffungsvolumens wird über öffentliche Ausschreibungen vergeben, für die es klare gesetzliche Regelungen gibt, die wiederum auf EU-Recht basieren. Seit 2011 beschäftigt sich die Europäische Kommission mit einer Modernisierung des EU-Vergaberechts. Voraussichtlich im März 2014 werden die neuen EU-Vergaberichtlinien in Kraft treten, bis Februar 2016 sollen sie in nationales Recht umgesetzt werden.
Der "Vergabetag Bayern" 2013
Die Fragen, welche Änderungen sich durch die neuen Richtlinien für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen ergeben und welche Konsequenzen dies für die Vergabepraxis nach sich ziehen wird, standen im Mittelpunkt des „Vergabetags Bayern 2013“. Die Veranstaltung wurde vom Auftragsberatungszentrum Bayern e.V. in Kooperation mit der Bayerischen Architektenkammer und der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau organisiert und fand am 23. Oktober in der IHK-Akademie München statt. Mit rund 120 Teilnehmern erfreute sie sich ausgezeichneter Resonanz.
In seiner Begrüßung nannte Walter Keilbart, Vorstandsvorsitzender des ABZ Bayern und Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern, wesentliche Änderungen der neuen EU-Richtlinien: „Besonders hervorgehoben werden darin die im Vergaberecht bislang eher unbedeutenden Aspekte Innovation und Nachhaltigkeit“, so Keilbart. „Für Unruhe sorgt zudem die Absicht der EU-Kommission, bis zum Jahr 2016 europaweit eine flächendeckende elektronische Beschaffung einzuführen.“ Von diesem Ziel sei Deutschland bisher noch weit entfernt.
Die Eckpunkte der Modernisierung des Vergaberechts
„Das Richtlinienpaket bildet die größte Reform des EU-Vergaberechts seit 2004“, fasste Daniela Hein-Dittrich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in ihrem Vortrag zusammen. „Es zielt darauf ab, die Vergabeverfahren einfacher und flexibler zu gestalten und soll mehr Rechtssicherheit bieten, da auch die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs eingeflossen ist“. Außerdem solle es ermöglichen, dass die öffentlichen Auftraggeber bei ihren Vergaben ihre strategischen Ziele stärker berücksichtigen können.
Das Richtlinienpaket zur EU-Vergabemodernisierung betrifft drei Gebiete: Zum Einen die „klassische“ Auftragsvergabe sowie die Sektorenauftragsvergabe für alle öffentlichen Aufträge rund um Verkehr, Trinkwasser- und Energieversorgung. Neu ist der dritte Bereich, die Vergabe von Konzessionen. Während das Vergaberecht bislang lediglich für Baukonzessionen galt, fällt künftig auch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen darunter. Das sind Fälle, in denen der Auftragnehmer als Gegenleistung für die Erbringung seiner Dienste anstelle einer Vergütung das Recht zur kommerziellen Nutzung oder Verwertung erhält, dafür aber auch einen Teil des unternehmerischen Risikos trägt. Dazu zählen zum Beispiel der Betrieb einer Kantine oder eines Parkhauses, aber auch ausgelagerte Dienstleistungen, wie etwa ÖPNV-Leistungen.
Ein weiteres Ziel der neuen EU-Richtlinien ist es, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu sichern“, erläuterte Hein-Dittrich. Ein wichtiger Punkt, mit dem dies erreicht werden soll, bildet die Stärkung der Losvergabe, also der Aufteilung öffentlicher Aufträge in kleinere Auftragspakete, die auch von KMU gestemmt werden können. Hier werden die neuen Richtlinien ähnliche Vorgaben machen wie sie heute in Deutschland bereits weit verbreitet sind. Bei den Eignungskriterien sehen sie ebenfalls mittelstandsfreundliche Erleichterungen vor: So werden zum Beispiel die Anforderungen an den Mindestjahresumsatz, den ein potenzieller Auftragnehmer nachweisen muss, auf das Zweifache des Auftragswerts beschränkt.
Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, müssen künftig zunächst kein umfangreiches Bündel an Nachweisen mitliefern, die ihre Eignung belegen. Eine Eigenerklärung, mit der ein Unternehmen bestätigt, dass es die Anforderungen zur Teilnahme an einer Ausschreibung erfüllt, genügt. Für diese Eigenerklärung entwickelt die EU-Kommission derzeit ein Formular, das so genannte European Single Procurement Document (ESPD). Eignungsnachweise müssen erst vor Zuschlagserteilung vorgelegt werden.
Elektronische Beschaffung: Einheitliche Lösung in Arbeit
Bislang gibt es weder in der EU noch in Deutschland einheitliche Standards für elektronische Ausschreibungen. „EU-weit dürften mehr als 300 verschiedene e-Vergabe-Plattformen existieren“, berichtete Andrea Seiler, die beim Bayerischen Landesamt für Steuern das Projekt eProcurement leitet, in ihrem Vortrag über das Projekt XVergabe. Unter diesem Kürzel wird derzeit ein so genannter Multiplattform-Bieterclient entwickelt, der verschiedenste eProcurement-Systeme integrieren und den Austausch mit einer einzigen, bundesweit einheitlichen eVergabe-Plattform ermöglichen soll. Damit können künftig Bekanntmachungen, Ausschreibungsinformationen und Vergabeunterlagen zwischen öffentlichen Auftraggebern und Bietern elektronisch übermittelt und bearbeitet werden.
Innovation und Nachhaltigkeit im Vergaberecht
Dass innovative Beschaffungsprozesse der öffentlichen Hand nicht nur Impulse für moderne öffentliche Verwaltungen geben, sondern auch Innovationen in der Wirtschaft stimulieren können, betonte Ricarda Rieck vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in ihrem Referat, in dem sie KO-INNO, das neue Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung vorstellte. Es wird im Auftrag des BMWi vom Bundesverband Materialwirtschaft Logistik und Einkauf (BME) aufgebaut und geführt. Seine Aufgabe besteht darin, die Einkäufer öffentlicher Aufraggeber dabei zu unterstützen, Wissen und Erfahrungen rund um innovative Beschaffung zu generieren und zu verbreiten. Unternehmen bietet das KO-INNO regionale und branchenspezifische Veranstaltungen sowie Online-Innovations-Foren für den direkten Austausch zwischen Erfahrungsträgern und Experten der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft. Die Informationsstelle steht für Fragen per Mail oder Telefon zur Verfügung, eine Datenbank mit aktuellen Forschungs- und Entwicklungsprojekten befindet sich im Aufbau.
Mit vielfältigen Informationen über Gesetze, Regelungen, Leitfäden und Praxisbeispielen aus Bund, Ländern und Kommunen richtet sich die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) dagegen vorwiegend an die Mitarbeiter in den Beschaffungsstellen öffentlicher Auftraggeber. Die KNB ist beim Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums angesiedelt. „Unter nachhaltiger Beschaffung ist der sparsame und wirtschaftliche Einkauf umweltschonender Produkte und Leistungen unter gleichzeitiger Beachtung sozialer Standards bei deren Herstellung oder Erbringung zu verstehen“, definierte Michael Arenz, von der Projektgruppe „Umsetzung nachhaltige Beschaffung“ beim Bundesinnenministerium, in seinen Ausführungen. In den letzten Jahren, so Arenz weiter, rücke zudem die Innovationsförderung, die auch Nachhaltigkeitsaspekte darstellt, in den Fokus. Als Ziele der KNB definierte er die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Bundesländern und den Bundesressorts, sowie die Einbindung der Kommunen. Ein Diskussionsforum und ein Schulungskonzept stehen ebenfalls auf der Agenda. Darüber hinaus sollen weitere Praxisbeispiele in das zentrale Portal für nachhaltige Beschaffung öffentlicher Auftraggeber eingestellt werden.
Praxisworkshops und Podiumsdiskussion
Das Thema Nachhaltigkeit spielte auch beim Workshop „Die Berücksichtigung von Energieeffizienz in der Ausschreibung“, der von Uwe-Carsten Völlink, Rechtsanwalt und Partner der HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft in München geleitet wurde, eine Rolle. Künftig muss beim Einkauf von energieverbrauchsrelevanten Waren und Dienstleistungen deren Energieeffizienz berücksichtigt werden. Dies kann durch die Bewertung des Energieverbrauchs oder der Lebenszykluskosten geschehen – wobei sich die Berechnung der Lebenszykluskosten in der Praxis durchaus schwierig gestalten kann. Zudem dürfte dies zu höheren Einkaufspreisen führen und den Kreis der Unternehmen einschränken, die entsprechende Produkte und Leistungen anbieten können, so das Fazit der Teilnehmer.
Zu regen Diskussionen führten auch die beiden anderen Workshops auf dem ersten Vergabetag Bayern: Unter der Leitung von Professor Martin Burgi von der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der LMU München wurde über „interkommunale Zusammenarbeit und Inhousegeschäfte im Licht der neuen Richtlinien“ gesprochen. Beim Dritten Workshop, bei dem das „Nachprüfungsverfahren in der Praxis“ im Mittelpunkt stand, standen den Teilnehmern gleich drei kompetente Gesprächspartner zur Verfügung: Maria Vavra, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht München, Reinhold Brand, Hauptamtlicher Beisitzer der Vergabekammer Nordbayern sowie Matthias Steck, Vorsitzender der Vergabekammer Südbayern.
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion wurde unter anderem die Frage, ob die EU-Richtlinien das Vergaberecht tatsächlich verschlanken und vereinfachen werden, erörtert. „Die Komplexität der neuen Richtlinien lässt zweifeln, dass sich dieses Ziel realisieren lässt“, sagte Professor Burgi. „Aber das hängt natürlich auch von der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht ab.“ Bis dahin bleibt noch etwas Zeit: Das neue deutsche Vergaberecht wird voraussichtlich erst Anfang 2016 verabschiedet.